2. Oktober 2025

Staffelstabübergabe in Halle (Saale): Jan Büchner und Holger Lemme im Gespräch

Am 1. Oktober 2025 übernahm Holger Lemme die kaufmännische Leitung des Zukunftszentrums vom Interim-Geschäftsführer Jan Büchner. Ein Gespräch über den Aufbau einer neuen Kultur- und Wissenschaftseinrichtung, ihre persönlichen Bezüge zu den Themen des  Zukunftszentrums und große Erwartungen.

Holger Lemme und Jan Büchner

Staffelstabübergabe in Halle: Am 1. Oktober übernahm Holger Lemme (links) die kaufmännische Geschäftsführung des Zukunftszentrums. Jan Büchner (rechts) leitete es als Interim-Geschäftsführer seit Januar 2025.

?—·→! Herr Lemme, Sie haben 1989 in Halle für Veränderungen in der DDR demonstriert. Wie prägt diese persönliche Erfahrung Ihre Vision für das Zukunftszentrum?

Holger Lemme: Ich war damals 15 Jahre alt und hätte kein Abitur machen dürfen. Ich habe 1989 unmittelbar erlebt, dass Veränderungen möglich sind, wie Freiheit denkbar wurde. Dinge wurden von heute auf morgen anders und es haben sich ganz neue Optionen ergeben. Das ist eine prägende Erfahrung. Allerdings wurde in den vergangenen 36 Jahren auch klar, dass sich nicht alle Hoffnungen erfüllt haben. Diese vielstimmigen Erfahrungen sollen im Zukunftszentrum Platz finden. Heute stehen wir auf sehr vielen Ebenen wieder vor Fragen, die die Gestaltung der Zukunft betreffen. Und auch jetzt gibt es die unterschiedlichsten Vorstellungen und Wünsche, die wohl auch nicht alle eingelöst werden können. Wir wollen mit dem Zukunftszentrum einen Raum schaffen, um über Zukunftsfragen nachzudenken und damit die Gesellschaft mitzugestalten. Das ist eine große Aufgabe und genau dafür wird es hier in Halle mit dem Zukunftszentrum ein großes Gebäude und eine große Institution geben. Es ist eine wunderbare Chance, so einen Ort zu schaffen und ich habe große Lust darauf, das Projekt voranzubringen.

?—·→! Herr Büchner, auch Sie sind Ostdeutscher, geboren 1983 noch in der DDR in Jena. Ist dieser persönliche Bezug für die Leitung des Zukunftszentrums hilfreich?

Jan Büchner: Mich hat er jedenfalls motiviert! Als die Frage kam, ob ich für eine Interim-Geschäftsführung des Zukunftszentrums bereit stünde, hatte ich sofort Lust, daran mitzuarbeiten.

?—·→! Sie haben das Zukunftszentrum seit Januar 2025 geleitet. Was waren die größten Meilensteine und was die größten Herausforderungen in den vergangenen neun Monaten?

Jan Büchner: Sichtbare Meilensteine waren die Jurysitzung rund um den Architekturwettbewerb im April 2025, die Ausstellungseröffnung zum Neubau und das Brückentagsfest der Stadt Halle vor dem Salinemuseum, in dem alle Entwürfe ausgestellt waren. Halles Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt und ich waren auf der Bühne und es gab einen Stand, an dem wir mit vielen Menschen ins Gespräch kamen. Wir haben uns als Zukunftszentrum mit vielen anderen Gruppen und Institutionen in Halle vernetzt. Das war ein Tag, an dem wir merkten, dass hier in Halle auch etwas für Halle entsteht. Dazu kommen die Meilensteine, die im Hintergrund passiert sind, Stichwort Team. Das Zukunftszentrum braucht nicht nur Menschen, die es nach außen repräsentieren, sondern auch eine Verwaltung, die dafür sorgt, dass gut gearbeitet werden kann. Wir haben die meisten Fachbereiche initial besetzt und sind nun zehn Leute. Viele Vorstellungsgespräche durchzuführen und Menschen in kurzen Abständen immer wieder neu einzuarbeiten, ist eine Herausforderung.

?—·→! Der Titel des Zukunftszentrums benennt Deutsche Einheit und Europäische Transformation als inhaltliche Klammer. Wie kann die Beschäftigung mit der Deutschen Einheit und den Folgen und der europäischen Perspektive aussehen?

Holger Lemme: Die Frage, wie das konkret bearbeitet werden kann, ist genau die, vor der wir als Zukunftszentrum stehen. Wir sind noch eine junge Organisation. Wir bauen jetzt das Team auf und schaffen die Grundlage für die inhaltliche, wissenschaftliche und diskursive Auseinandersetzung. Der Rückblick auf die Erfahrungen der Menschen in Ostdeutschland von 1989 bis heute ist dabei ein Strang. Der andere Strang ist der Vergleich mit den Transformationsgesellschaften in Europa, vor allem in Osteuropa. Beides muss parallel passieren. Erst im Vergleich kann ich erkennen: Wo gab es besondere Entwicklungen? Wo gab es welche Impulse? Wo gab es Wendepunkte? Daher muss der Blick auf Deutschland und Europa gerichtet werden.

Jan Büchner: Das Zukunftszentrum hat den Auftrag, diese Fragen dauerhaft zu erforschen und zu vermitteln. Das ist das Gute, dass das Zukunftszentrum genau dafür die Ressourcen vom Bundestag genehmigt bekommen hat. Und Halle (Saale) hat ja nicht ohne Grund den Zuschlag bekommen: Die Stadt hat den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umbruch unmittelbar erlebt und ist daher der ideale Ort, um diese Themen sichtbar zu machen. Die Menschen sollen hier ihre Geschichte wiederfinden.

?—·→! Welche Zielgruppen will das Zukunftszentrum erreichen?

Jan Büchner: Jetzt für den Start sind Halle und das Umland wichtig. Zugleich wollen wir Menschen in ganz Deutschland mit unserem Programm erreichen. Wichtig sind junge Menschen, Schülerinnen und Schüler. Das Zukunftszentrum wird an die Schulen kommen und zugleich wird Halle der Ort werden, wo Schulklassen hinkommen und Orte der deutschen Geschichte rund um 1989/1990 erleben.

Holger Lemme: Das Zukunftszentrum soll ein Ort werden, an dem die Lebensleistung der Menschen in Ostdeutschland und Osteuropa gewürdigt wird. Das sind Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die die Zeit aktiv erlebt und mitgestaltet haben, aber auch in dieser Zeit gelitten haben. Deren Erinnerungen, Erlebnisse und Sichtweisen sind der Stoff, aus dem die Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskurse im Zukunftszentrum gemacht sind. Sie sind Ausgangspunkte, um die Auseinandersetzung darüber führen zu können, was das Besondere der Transformationsleistung nach 1989/1990 war und welche Impulse dies für gegenwärtige Fragen und die Zukunft geben kann.

?—·→! Was fällt Ihnen leichter: Anfangen oder Aufhören?

Holger Lemme: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne! Etwas Neues zu gestalten ist eine tolle Aufgabe, aber auch eine große Verantwortung. Noch ist der Kalender leer. Das wird nicht lange so bleiben. Es gibt viele Erwartungen und auch schon konkrete Vorstellungen, sowohl im Team als auch von den Stakeholdern.

Jan Büchner: Ich kann Dinge gut abschließen und abgeben. Anfangen ist spannender und macht mehr Spaß! Ich beginne nächste Woche meine neue Tätigkeit im Finanzministerium in Berlin. Da heißt es neue Kontakte aufbauen und Ideen einbringen. Ich werde das Zukunftszentrum und seine Themen sicherlich weiter im Blick haben.

Holger Lemme wurde 1974 in Halle (Saale) geboren. Seit dem 1. Oktober 2025 ist er kaufmännischer Geschäftsführer des Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und europäische Transformation. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaften, Anglistik und Psychologie an der Universität Leipzig war er für die Dow Olefinverbund GmbH an den Standorten Schkopau und Horgen/Schweiz, zuletzt als Senior Public Affairs Leader, tätig. Berufsbegleitend studierte er Umweltmanagement und Umweltrecht an der Universität Lüneburg. Danach arbeitete er als Studienleiter Arbeit und Wirtschaft an der Evangelischen Akademie Thüringen und übernahm zeitweise die kommissarische Akademieleitung. Seit März 2022 war er Verwaltungsleiter der Stiftung Bauhaus Dessau. Ehrenamtlich wirkte Holger Lemme im Vorstand der Stiftung Evangelische Akademie Thüringen und war Geschäftsführer der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar gGmbH. Er engagiert sich für Kinder- und Jugendbildung im Villa Jühling e.V. in Halle (Saale).

Jan Büchner, geboren 1983 in Jena, leitete von Januar bis Oktober 2025 das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation in Halle (Saale) als Interim-Geschäftsführer. Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften an der Universität Potsdam und einem Referendariat in Hamburg und Brüssel war er mehrere Jahre in der Hamburger Senatsverwaltung tätig. Anschließend wechselte er zur Bundesregierung und arbeitete zuletzt im Bundeskanzleramt, wo er u. a. in der Politischen Planung die Bereiche Finanzen, Kultur und Ostdeutschland betreute. Büchner ist ab Oktober 2025 in der Leitungsabteilung des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin tätig. Im Bundeskanzleramt hat Jan Büchner das „NetzwerkOST“ mitbegründet, das Gesprächspartner zu ostdeutschen Themen einlud und den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen förderte. Büchner ist Vorstandsmitglied der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e. V. und engagiert sich als Mentor für Studierende.