
Wie baut man Zukunft? Vor dieser Frage standen die beiden Architekten Christoph Richter und Jan Musikowski, als sie sich entschieden, am offenen Wettbewerb für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation teilzunehmen. Die Idee ihres Büros RICHTER MUSIKOWSKI wurde im April 2025 zum Sieger gekürt: Ein transparentes Zelt wird am Riebeckplatz in Halle (Saale) gebaut.
Am 23. September 2025 luden Dr. Reiner Haseloff, der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt und die Landesinitiative Architektur und Baukultur, vertreten durch den Präsidenten der Architektenkammer Sachsen-Anhalt, Prof. Axel Teichert, in die Landesvertretung Sachsen-Anhalt, um über die architektonische, gesellschaftliche und politische Dimension des Projekts ins Gespräch zu kommen. Rund 250 Vertreter*innen aus Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik sowie aus Wissenschaft, Kultur, Verwaltung und Zivilgesellschaft waren der Einladung in die Luisenstraße 18 in Berlin gefolgt.

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Das Modell des Zukunftszentrums © RICHTER MUSIKOWSKI Architekten PartGmbB

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Jan Musikowski erläutert den Entwurf von RICHTER MUSIKOWSKI für das Zukunftszentrum © Andreas Büttner
In einem Impulsvortrag stellte Jan Musikowski den Siegerentwurf noch einmal ausführlich vor. Was bleibt nach Transformationsprozessen? Ausgehend von dieser Frage stehen der Mensch und seine Bedürfnisse im Zentrum. Die Idee eines aufgespannten Dachs bildete die Grundlage für den Entwurf: Nach außen bietet es Schutz, nach innen einen Raum für Gemeinschaft. Seit der Urhütte haben Menschen diese Form weiterentwickelt, bis hin zum Schwarzwaldhaus, in dem Familie und Tiere unter einem Dach leben. Musikowski, selbst in einem Plattenbau in Magdeburg aufgewachsen, spannte den Bogen bis hin zu den Zelten der auf ihre Ausreise wartenden DDR-Bürger*innen im Garten der Prager Botschaft 1989.
Das Zukunftszentrum am Riebeckplatz wird aus zwei Teilen bestehen: Eine äußere Hülle schützt vor Wind und Wetter und wird selbst Energie generieren. Im Inneren wird das Gebäude mit einfachen, nachhaltigen Materialien wie Holz und Lehm gebaut. Neben Veranstaltungsräumen, Ausstellungs- und Bildungsbereichen sind auch Verwaltungsräume und ein Restaurant vorgesehen. Auf dem begrünten Dach wird eine Bar entstehen und der Blick kann weit über Halle schweifen. „Für uns war interessant, an der Nahtstelle zur Innenstadt ein neues Stadttor zu generieren“, so Jan Musikowski. „Das Gebäude ist transparent, ein leichter Pavillon mitten im Park, ein Zelt, das ein bisschen zu groß geraten ist – aber es gibt ja auch viele große Themen.“

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Das Team des Zukunftszentrums Jan Büchner, Andrea Wieloch, Cornelia Reichel, Holger Lemme, Franca Meye und Andreas Büttner mit Moderation Ilka Bickmann in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin (v.l.n.r.) © Andreas Büttner

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Ilka Bickmann sprach in Berlin mit René Rebenstorf, Prof. Dr. Raj Kollmorgen, Elisabeth Kaiser und Dr. Reiner Haseloff (v.l.n.r.) zum Stand des Zukunftszentrums © Andreas Büttner
Unter dem Motto „Zukunft denken – Zukunft gestalten“ sprachen anschließend Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, Staatsministerin Elisabeth Kaiser, Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Prof. Dr. Raj Kollmorgen, Mitglied der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“, sowie René Rebenstorf, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Umwelt und Sicherheit der Stadt Halle (Saale) über den aktuellen Stand des Zukunftszentrums und formulierten konkrete Ideen. Moderiert wurde das Gespräch von Ilka Bickmann.
Staatsministerin Elisabeth Kaiser, die auch Vorsitzende des Aufsichtsrats des Zukunftszentrums ist, verdeutlichte die Relevanz des Projektes: „Wir sind in enormen Umbruchzeiten, da ist gesellschaftliche Debatte umso wichtiger. Das Zukunftszentrum soll ein Ort sein, der dieser Debatte ein Dach geben wird, wo wir mit den europäischen Nachbarn diskutieren und die Erfahrungen der Ostdeutschen, die enorme Umbrüche erfahren haben, einbeziehen.“
Ministerpräsident Reiner Haseloff bestärkte das Anliegen: „Die Nation ist nach wie vor sehr gespalten und es braucht Projekte wie das Zukunftszentrum, die das für die Nachwelt aufarbeiten.“ Er verwies auf die Dringlichkeit der Umsetzung und plädierte dafür, dass öffentliche Genehmigungsverfahren, etwa für infrastrukturelle Maßnahmen, beschleunigt werden sollen.
René Rebenstorf, Beigeordneter der Stadt Halle (Saale), äußerte sich optimistisch: „Bei einem so großen Projekt sind wir in der Verwaltung in der Lage, Dinge auf kurzem Wege zu entscheiden. Ich kann Ihnen an dieser Stelle signalisieren, dass das, was wir als Stadt machen können, gemacht wird!“ Der Stadtrat soll im Frühjahr 2026 die weiteren Beschlüsse fassen, um den Platz soweit umzubauen, dass das Baufeld freigemacht ist und der Bund mit der Umsetzung des Hochbaus beginnen kann. Parallel wird die Stadt Halle den Riebeckplatz umbauen: „Das ist ein 70 Millionen Euro Projekt, damit das Zukunftszentrum nicht wie ein Ufo auf dem Platz landet“, so Rebenstorf.
Schon jetzt beginnt die inhaltliche Arbeit – Prof. Dr. Raj Kollmorgen von der Hochschule Zittau/Görlitz unterstrich die Gleichberechtigung der drei Säulen Wissenschaft, Dialog und Kultur: „Das ist das Innovative! Wir wollen nicht, dass die Wissenschaft ihre Forschung betreibt und mal ein kleines Fenster Richtung Ausstellung und Dialog geöffnet wird, sondern dass man diese Bereiche systematisch miteinander verknüpft.“ Er schlug vor, dass Kolleg*innen aus der Wissenschaftscommunity, die für das Zukunftszentrum engagiert sind, bereits jetzt aktiv mitdenken.
Anwesend war auch Holger Lemme, der zum 1. Oktober 2025 kaufmännischer Geschäftsführer des Zukunftszentrums wird. Elisabeth Kaiser dankte Jan Büchner, der das Zukunftszentrum seit Januar 2025 als Interimsgeschäftsführer leitet. Er wird ab Oktober 2025 in der Leitungsabteilung des Bundesministeriums der Finanzen in Berlin tätig sein. „Ich hatte die seltene Chance, eine Bundeseinrichtung aufzubauen – und das in meiner Heimat, in Ostdeutschland“, so Büchner. „Besonders wichtig waren mir die vielen Gespräche mit den Menschen – ob mit der Stadt Halle (Saale), dem Land Sachsen-Anhalt oder Interessierten aus Kultur, Wissenschaft und Politik.“
Zum Abschluss des offiziellen Teils verwies Büchner auf die Präsenz des Zukunftszentrums bei den offiziellen Feierlichkeiten von Bundesregierung und Bundesländern zum Tag der Deutschen Einheit vom 2. bis 4. Oktober 2025 in Saarbrücken. (Weitere Informationen unter: www.tag-der-deutschen-einheit.de).